Bohrer: Welcher ist der richtige?
Lara • 07.02.2017
Stumpfe Bohrer und ausgefranste Bohrlöcher sind nicht selten die Folge einer ungeeigneten Bohrerauswahl. Auch wenn sich viele Bohrer (wie z. B. Spiralbohrer) optisch ähneln, sind sie nicht einfach austauschbar. Ihre Funktionsweise kann komplett unterschiedlich sein. Weitere Unterschiede bestehen in Material, Schliff, Schaft und Drall.
Zu wissen, welcher Bohrer sich wann am besten eignet, ist daher nicht zuletzt wichtig, um qualitativ hochwertig und rentabel arbeiten zu können. In unserem Bohrer-Ratgeber stellen wir die gebräuchlichsten Bohrer-Typen und deren Einsatzgebiete vor.
1. Was ist ein HSS Bohrer?
Definition: HSS ist eine Abkürzung für High Speed Steel, zu deutsch (Hochleistungs-) Schnellschnittstahl (= HSS), und bezeichnet einen hochlegierten Werkzeugstahl. Gegenüber gewöhnlichem Werkzeugstahl sind mit HSS bis zu vierfach höhere Schnittgeschwindigkeiten möglich, da das Material auch bei hohen Temperaturen (bis ca. 600°C) seine Härte behält. HSS-Bohrer haben Bohrer aus herkömmlichem Werkzeugstahl aufgrund dieser Eigenschaften heute nahezu vollständig aus der Zerspantechnik verdrängt.
SDS-Bindung steht für ‚Special Direct System‘ und ist eine profilierte Steckverbindung an einem Bohrerschaft. Sie ermöglicht einen schnellen Bohrerwechsel.
In der täglichen Handwerkerpraxis kommen die klassischen HSS-Bohrer mit SDS-Bindung nach DIN 338 (High Speed Steel) in vielen unterschiedlichen Qualitäten zum Einsatz. Die Bohrer aus Schnellarbeitsstahl zeichnen sich durch eine hohe Verschleißbeständigkeit, Anlassbeständigkeit und Warmhärte aus. So sind sie nicht nur den Belastungen des Arbeitsalltags gewachsen, sondern garantieren exakteres Arbeiten und langfristig Kosteneinsparungen.
HSS-R Bohrer
HSS-R Bohrer sind rollgewalzte Bohrer die für die Bearbeitung von verschiedenen Werkstoffen wie Stahl, Stahlguss, Grauguss, Temperguss, Sintereisen, Graphit, Bronze, Messing und Aluminium genutzt werden.
Sie eignen sich ideal für konventionelle Bohrarbeiten und können sowohl in Handbohrmaschinen als auch im Bohrständer verwendet werden. Diese Bohrer bieten eine erhöhte Bruchsicherheit und eine gute Spanabfuhr, was sie zu einer ausgezeichneten Wahl für eine Vielzahl von Bohranwendungen macht.
HSS-G Bohrer
HSS-G Bohrer mit geschliffener Bohrspitze eignen sich besonders für den Einsatz in Säulenbohrmaschinen sowie in Dreh- und Fräsmaschinen. Diese Bohrer können für eine Vielzahl von Werkstoffen wie Stahl, Stahlguss, Grauguss, Temperguss, Sintereisen, Graphit, Bronze, Messing und Aluminium verwendet werden. Im Vergleich zu HSS-R Bohrern bieten sie eine höhere Genauigkeit sowie eine gute Standzeit und Spanabfuhr.
HSE-E Bohrer
HSS-E Bohrer sind Werkzeuge, die aus einer Kobaltlegierung hergestellt werden und aufgrund ihrer hohen Härte und Festigkeit vor allem für den Einsatz in Säulenbohrmaschinen sowie in Dreh- und Fräsmaschinen geeignet sind. Diese Bohrer weisen eine längere Standzeit und eine sehr gute Hitzebeständigkeit auf, was sie zu einer effizienten Wahl für Materialien mit hoher Festigkeit, wie beispielsweise Edelstahl, macht.
HSS-CO Bohrer
HSS-CO Bohrer sind Bohrer aus einem Stahl mit Kobaltlegierung und eignen sich besonders für die Bearbeitung von besonders zähen und harten Werkstoffen wie legiertem und hochfestem Stahl sowie Edelstahl. Diese Bohrer haben eine sehr gute Standzeit, eine gute Spanabfuhr und eine sehr gute Hitzebeständigkeit.
HSS-Tin Bohrer
Der HSS-Tin Bohrer verfügt über eine Titanbeschichtung und eignet sich ideal für den Einsatz in Akku-Geräten. Er ist speziell für die Bearbeitung von Stahl und NE-Metallen entwickelt worden. Dabei zeichnet er sich durch eine hohe Rundlaufgenauigkeit, gute Standzeit und eine effektive Spanabfuhr aus.
2. Welche Kriterien sollten bei der Bohrer-Auswahl beachtet werden?
Ob ein Bohrer beschichtet ist oder nicht, sagt etwas über seine Qualität aus. Hochwertigere Bohrer sind beschichtet, ihre Spitzen oft farblich abgesetzt. Solche Beschichtungen (z. B. aus Titan) können die Standzeit der Bohrer um einiges erhöhen. Gleichzeitig sind sie für hochharte Materialien geeignet, denen Standard-HSS-Bohrer nicht mehr gewachsen sind. Zu hochharten Materialien zählen zum Beispiel Metalle, Diamanten oder kubisches Bornitrid.
3. Welcher Bohrer für welches Material?
Titan und Edelstahl für höhere Zugfestigkeiten
Titanlegierte Bohrer oder Bohrer aus Edelstahl bieten darüber hinaus wesentlich höhere Zugfestigkeiten und müssen sehr viel seltener nachgeschliffen werden. Für häufige Bohrungen sind sie absolut empfehlenswert. Ihr höherer Preis, der aus den hochwertigeren Materialien resultiert, rentiert sich auf jeden Fall in puncto Effizienz und Langlebigkeit.
Diamantbohrer für besonders hohe Ansprüche
Auch HSS-Bohrer geraten irgendwann an ihre Leistungsgrenzen. Für professionelle Bohrungen vor allem in hochharte Materialien oder Bohrlöcher mit größeren Durchmessern (wie z. B. für Steckdosen) sind besonders leistungsstarke Bohrwerkzeuge gefragt. Hier empfehlen sich Diamantbohrer und Diamantbohrkronen, mit denen hohe Schnittgeschwindigkeiten und effiziente Bohrungen realisiert werden können. Ob Trocken oder Nassbohrung: Für beide Methoden gibt es passende Diamantbohrer.
Die leistungsstarken Vollhartmetallbohrer (VHM)
Steigende Anforderungen an Verschleiß- und Standfestigkeiten führen dazu, dass Vollhartmetallbohrer vor allem für den industriellen Einsatz im Gegensatz zu HSS-Bohrern immer interessanter werden. Höhere Schnittgeschwindigkeiten und eine sehr gute Positioniergenauigkeit sind nur zwei gute Argumente, die für die leistungsstarken VHM-Bohrer sprechen. Besonders interessant sind sie für die Bearbeitung von abrasiven Werkstoffen ( z. B. Gusseisen), Aluminiumlegierungen, glasfaserverstärkten Werkstoffen und Graphit. In ihrer Form sind die VHM-Bohrer den HSS-Bohrern ähnlich.
4. Welche Bohrer-Formen gibt es?
4.1 Spiralbohrer
Ein Unbekannter ist der lange, runde Spiralbohrer nicht, ganz im Gegenteil: Es gibt ihn in zahlreichen Ausführungen. Je nach Konzeption und Schneidengeometrie ist er für unterschiedliche Werkstoffe geeignet.
Spiralbohrer unterscheiden sich nicht nur im Material voneinander, auch die Form ihrer Schneiden (Schneidengeometrie) kann verschieden sein. Diese ist entscheidend für den Einsatzzweck des Bohrers. So gibt es Spiralbohrer mit mehr oder weniger Spanwinkel bzw. Spiralwinkel (auch Drall genannt).
- Der HSS-Bohrer Typ N mit Normalspirale ist ideal geeignet für das Bohren von Baustählen, NE-Metallen und Gusseisen. Mit seiner speziellen Ausführung kann er auch bei härteren Materialien eingesetzt werden.
- Der HSS-Bohrer Typ H zeichnet sich durch eine langgezogene Spirale aus, die besonders für kurzspanende, spröde, zähharte oder sehr harte Werkstoffe wie Stahl, Hartkunststoff, Schichtpressstoffe und Plexiglas geeignet ist.
- Der HSS-Bohrer Typ W zeichnet sich durch seine kurze Spirale aus und ist ideal für langspanende, weiche Werkstoffe wie Leichtmetalle, Kunststoffe, Hartholz und Spanplatten geeignet.
NE-Metalle sind sogenannte Nichteisenmetalle. Außer für Eisen steht der Begriff für alle Metalle und metallische Legierungen, die keinen grundlegenden Eisenanteil besitzen.
Standardbohrer für mittelharte Werkstoffe sind mit dem Buchstaben „N“ gekennzeichnet. Sie sind nicht für Bohrungen in hochharte Materialien geeignet. Auch bei weichen Materialien ist der Standardbohrer nicht ideal, weil der Bohrer das Material ausreißen kann.
Bohrer, die auch harte Werkstoffe bewältigen, sind optisch an ihren Spiralformen mit kleinerem Drall erkennbar. Sie tragen die Bezeichnung „H“ und erzeugen kurze Späne.
Weiche Werkstoffe wie Leichtmetalle sollte man hingegen mit einem Bohrer „Typ W“ bearbeiten. Dieser Bohrertyp hat einen größeren Spanwinkel und Späne können gut abfließen.
Unter den Bohrern sind die spiralförmigen Stahlbohrer mit Bohrschaft, spanabführenden Nuten und Bohrspitze das klassische Bohrwerkzeug für Akkuschrauber, Schlagbohrmaschinen und Bohrhämmer.
4.2 Holzbohrer
Die folgende Auswahl an Bohrern eignet sich speziell für die Bearbeitung von Holz. Je nach Anwendungsgebiet und Grundnutzen kann eines der folgenden Modelle gewählt werden.
Der Holzbohrer ist aufgrund der langen Zentrierspitze und zwei Vorschneiden optimal für Bohrungen in Holz geeignet – vor allem dann, wenn viele Bohrungen geplant sind. In Tischlereien kommt der Holzbohrer oft als Schlangenbohrer vor. Dieser hat keinen Spitzwinkel, schlankere Schneiden und eine Bohrspitze, die sich sehr gut zentrieren lässt.
Der Forstnerbohrer ist ein spezieller Bohrer zur Bearbeitung von Holz und Holzwerkstoffen. Er verfügt über eine Zentrierspitze und zwei Spanabheber und ist für Bohrungen mit großen Bohrdurchmessern geeignet (z. B. zum Ausbohren von Astlöchern). Kunstbohrer sind ebenfalls für Bohrungen in Holz und Holzwerkstoffe geeignet. Sie ähneln rein optisch den Forstnerbohrern, allerdings mit dem Unterschied, dass sie über wesentlich kleinere Vorschneiden verfügen. Somit hat der Kunstbohrer bessere Spanungseigenschaften, kann jedoch weniger gut geführt werden. Er ist daher besser für den stationären Einsatz geeignet, wohingegen der Forstnerbohrer, der sehr präzise Lochwandungen liefert, auch in einer Handbohrmaschine gut genutzt werden kann.
4.3 Stein- und Betonbohrer
Ziegel, Kalksandstein, Beton und weitere Stein-Werkstoffe werden genau genommen mehr pulverisiert als gebohrt. Daher verlangen solche Werkstoffe auch Bohrer, die speziell für diese Bedingungen ausgelegt sind.
Die Lösung sind Bohrer, an deren Spitze Hartmetallplättchen angebracht sind. Es gibt allgemeine Steinbohrer und die speziellen Betonbohrer. Die besondere Härte dieses Hartmetalls sorgt dafür, dass es Stein und andere Mineralstoffe problemlos schneidet.
4.4 Schweißpunktbohrer
Schweißpunktbohrer sind immer dann sinnvoll, wenn eine große Anzahl an Schweißpunkten entstehen oder dünnwandige Werkstücke ausgebohrt werden sollen.
Diese Bohrerart verfügt über drei Schneiden und ist optisch als auch anwendungstechnisch eine Mischung aus Bohrer und Fräser. Dabei wirken die Schneiden des Schweißpunktbohrers ähnlich wie beim Spiralbohrer, reduzieren allerdings deutlich das Auftreten von Rattermarken. Rattermarken sind wellige Zonen in Bohrlöchern, die aufgrund von Schwingungen der Bohrstange beim Bohrvorgang entstehen. Zusätzlich kommt hinzu, dass Schweißpunktbohrer über einen kleinen Spitzenwinkel und eine kleine Spitze verfügen und daher direkt auf dem Werkstück ansetzen.
4.5 Fliesenbohrer
Das Bohren von Fliesen gestaltet sich oft sehr schwierig. Der Einsatz des richtigen Bohrer-Modells spielt daher eine besonders große Rolle. Im Folgenden werden die Besonderheiten der Fliesenbohrer genauer erläutert.
Mit den Experten für Fliesen, Porzellan, Keramik und Glas können problemlos rissfreie Bohrlöcher in die empfindlichen Werkstoffe gebohrt werden. Dank geschliffener Zentrierspitze ist das Anbohren von Fliesenglasur und Co. einfach zu bewerkstelligen. Je nach Härte des Werkstoffs sind sie in unterschiedlichen Materialien zu haben.
4.6 Stufenbohrer und Schälbohrer
Sollen Bohrlöcher vergrößert werden, können Spiralbohrer in Blechen nicht nur optisch Schaden anrichten. Steckt der Bohrer im Werkstück fest und muss umständlich wieder entfernt werden, bleibt eher selten ein sauberes Loch zurück. Um dies zu vermeiden, kann ein untergelegtes Stück Holz oder Baustahl für die nötige Führung beim Bohrvorgang sorgen.
Stufenbohrer
Ist eine solche Maßnahme z. B. aus Platzgründen nicht möglich, sollten Stufenbohrer eingesetzt werden. Als Garant für saubere Bohrungen, rechnet sich auch die Anschaffung. Stufenbohrer sind in unterschiedlichen Größen erhältlich.
Schälbohrer
Neben den Stufenbohrern können für die Fertigung von größeren Bohrlöchern auch Schälbohrer eingesetzt werden. Sie haben den Vorteil, dass sie stufenlos selbst in dünnste Werkstücke saubere Löcher bohren können.
5. Bohrer richtig schleifen
6. Glossar für Bohrer
- Was ist ein Spanabheber?
Ein Spanabheber ist die Schneide am Bohrer, die das vom Vorschneider erzeugte Bohrmaterial aus dem Bohrloch abträgt.
- Was ist ein Vorschneider?
Vorschneider gehören zu den Gewindebohrern und sind mit angeschrägten Schnittkanten versehen.
- Was ist ein Bohrfutter?
Das Bohrfutter ist der Aufsatz für Bohrmaschinen und Akkuschrauber, in welchen die Bohrer und Bits eingesetzt werden. Zum Einspannen der Bohrer gibt es ein manuelles Zahnkranz-Bohrfutter oder das modernere Schnellspann-Bohrfutter.
- Was ist Kühlschmiermittel für Bohrer?
Beim Bohren auf Metall und bei Zerspanungsvorgängen entsteht Reibung und somit Wärme. Dieser Effekt kann das Werkzeug und den Werkstoff belasten. Daher wird bei einigen Vorgängen Kühlschmiermittel verwendet. Diese Mittel werden auch als Bohröl oder Schneidemittel gehandelt.